Unerhört 2015: Tom Rainey Trio, Craig Taborn, Loriot-Perovic Notebook Large Ensemble - Rote Fabrik, Zürich, 28. November 2015

Samstagabend ging es dann wieder in der Roten Fabrik mit einem Dreier-Ticket weiter. Den Auftakt machte das Tom Rainey Trio feat. Ingrid Laubrock & Mary Halvorson. Gemischte Gefühle im Voraus, Rainey hatte ich noch nie live gehört, Laubrock und Halvorson verschiedene Male (teils zusammen, auf der Bühne, z.B. bei Braxton am diesjährigen Taktlos) und gerade mit Laubrock bin ich nicht immer warm geworden, mit Halvorson zuletzt - das Duo mit Stephan Crump, das erst gegen Ende des kurzen Sets aufwachte - auch nicht immer so sehr wie davor. Aber gut, die drei legten los und es war von Beginn weg klar, dass das ein tolles Konzert würde. Halvorson spielte zupackend und direkt wie ich sie schon lange nicht mehr gehört habe, Laubrock solide und ebenfalls zupackender als ich sie bisher gehört habe, die beiden gaben den Tarif vor, dahinter Rainey als eine Art Hexenmeister, der manchmal wie an unsichtbaren Fäden das Geschehen zu steuern schien. Sein Spiel ziemlich direkt und hart, aber auch trocken und immer wieder beeindruckend in seiner Feinheit trotz meist hoher Lautstärke. Ein sehr tolles, überraschend intensives Konzert - und schon bis dahin ein Gipfel der aktuellen Schlagzeugkunst (wenn man noch die beiden von Guy mitzählt): Ramón López, Lucas Niggli, Joey Baron, Pierre Favre, Tom Rainey.

Dann gespannte Erwartung auf das zweite Set, den eigentlichen Grund, weshalb ich an dem Abend doch hin ging: Craig Taborn, solo am grossen Steinway-Flügel. Und verdammt, das war eine Offenbarung, definitiv das ganz grosse Highlight des Festivals! Er schien anfangs auch noch einmal die Möglichkeiten des Instruments auszuloten, und tauchte dann immer tiefer ein, rauschhaft, mit unglaublichem Sog. In den intensivsten Momenten knallte er auch mal den Unterarm auf die Tastatur, schien über dem Klavierhocker zu schweben, stapfte mit dem Fuss ... man dachte da und dort an Cecil Taylor, aber auch an Ellington und die ganze Jazzpiano-Tradition. Wirklich grossartig!

Den Abschluss des Abends machte das Loriot-Perovic Notebook Large Ensemble, ein zehnköpfiges Ensemble um den Bratschisten und Komponisten Franz Loriot sowie den Komponisten und Arrangeur Manuel Perovic. Vier Bläser (Lina Allemano-t, Silvio Cadotsch-tb, Sandra Weiss-as/bsn, Joachim Badenhorst-ts/cl/bcl) treffen auf vier (mit Perovics gelegentlicher Akustikgitarre fünf) Streicher (Loriot-vla, Deborah Walker-vc, Silvan Jeger-b, Dave Gisler-elg), dazu Schlagzeug (Yuko Oshima) und immer wieder auch etwas Gesang ... das ergab manche klanglich sehr schönen Momente, auch ein paar gute Soli (v.a. Badenhorst fand ich klasse, aber auch Weiss hatte sehr gute Momente), der Chor-Gesang schien etwas verzärtelt, aber als Idee hat mir auch das gefallen. Das Problem lag anderswo: die Schlagzeugerin hämmerte nur Rock-Rudimente, das ganze Set lang, mit heiligem Ernst, Blick hoch in den Himmel gerichtet, selbst als sie mal eine Art Solo hatte gab es nichts als die steifsten, langweiligsten Beats. Mag sein, dass das zum Konzept der Gruppe gehört, aber das ergibt für meine Ohren das Problem, dass auch Jeger am Kontrabass völlig hintansteht, dass die ganze Combo rhythmisch äusserst uninspiriert wirkt, leblos geradezu - und das Ganze wirkt dann trotz der tollen Streicher- und Bläser-Sections oft steif und platt, da nützten auch hübsche Harmonien nicht mehr viel.

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