George Shearing (1919-2011)

Hab grad das erste Mal herzhaft gelacht heute... George Shearing ist ja gestern wie bereits gemeldet im Alter von 91 Jahren gestorben (hier der Nachruf aus dem Guardian). Aus diesem Anlass dachte ich, lege ich heute mal wieder das Mosaic-Set mit seinen Live Aufnahmen für Capitol auf (das ich dank einem lieben Freund als Kopie habe) und im zweiten Stück der ersten Session (1598 an einem kalifornischen College) kündet der die Band an: "on guitar: Toots Thielemans, on vibes: Emil Richards, on bass: Al McKibbon and on drums Percy Brice... and my name is Erroll Garner" - und flugs stürzt er sich in "On the Street Where We Live" und parodiert Garner...

Ich nehme an, über Shearing hätte man in den Urzeiten des Forums höchstens gehässige und abschätzige Bemerkungen lesen können... aber irrt euch nicht: der blinde Mann aus der Londoner Unterschicht hatte was drauf - das zeigen gerade diese Live-Aufnahmen aus den Jahren 1958 bis 1963 eindrücklich. Leonard Feather nahm den jungen Pianisten schon früh unter seine Fittiche und scheute keine Mühe, ihn zu unterstützen. Von 1939 bis 1945 wurde Shearing sieben Mal in Folge zum besten englischen Pianisten gewählt, man sprach von ihm als "England's Art Tatum" oder Teddy Wilson oder nannte ihn "The Number One Boogie Woogie Pianist".

1946 ging Shearing in die USA, weil er das Gefühlt hatte, in England seine Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Der erste Versuch ging allerdings schief, da Shearing zwar wie Tatum, Wilson oder Fats Waller spielen konnte - aber nichts eigenes zu bieten hatte. Er kehrte zurück nach England; woodshedding war angesagt. Ein Jahr später machte sich Shearing erneut auf in die USA - und landete einen ersten Gig an der 52nd Street, als Pausenpianist für Sarah Vaughan. Von da an ging es schnell: Shearing leitete 1949 ein Quartett mit dem Klarinettisten Buddy De Franco und schon da sind seine üppigen Voicings und seine subtile Rhythmik zu hören. Drummer der Gruppe war Denzil Best, die Antithese zu den lauten und nervösen Bebop-Drummern der Zeit.

De Franco verliess die Band aber schon nach zwei Wochen, gemeinsam mit seinem Mentor Feather (der auch seine Immigration in die USA geregelt hatte) beschloss Shearing nun, eine spezielle Band zusammenzustellen, die seinen besonderen Sound in den kommenden Jahren verkörpern sollte. Es blieben Drummer Best und Bassist John Levy, neu dazu stiess die Vibraphonistin Marjorie Hyams und Chuck Wayne an der Gitarre. Wir haben hier also eine Combo, in der nicht nur Piano und Gitarre vertreten sind sondern gleich auch noch das Vibraphon - und das ganz ohne Bläser! Shearings Arrangements klingen jedoch meistens luftig und lassen Raum - was alleine schon beachtenswert wäre.

Shearing arrangierte in Oktaven, spielte selbst am Piano Block-Akkorde (aus der Tradition Milt Buckners, über den Shearing allerdings weit hinausging) und füllte die Räume zwischen den Linien von der Gitarre und den Vibes. Auch Nat "King" Cole hatte mit Block-Akkorden grosse Erfolge feiern können und Shearing gelang es stets, sein Publikum zu faszinieren. Das Quintett, das diese Musik spielte und mit ihr Erfolge feierte, hatte 29 Jahre bestand - allerdings sagte Shearing später, die letzten fünf Jahre davon hätte er nur noch auf Autopilot funktioniert.

1978 löste Shearing sein Quintett auf und spielte die nächste Zeit in erster Linie im Duo mit Bassisten wie Don Thompson und Neil Swainson (beide aus Kanada). Zudem hat er mit verschiedenen Leuten wie Mel Tormé, Carmen McRae oder Jim Hall zusammengespielt, eine Zeit lang als DJ bei WNEW in New York gearbetiet und auch unterrichtet. Im Quintett spielten über die lange Zeit so grossartige Musiker wie Cal Tjader oder Gary Burton (Vibes), Toots Thielemans oder Joe Pass (Gitarre), die Bassisten Al McKibbon oder Israel Crosby, und nach Denzil Best u.a. Vernel Fournier (Schlagzeug). Ab Mitte der Fünfziger Jahre fügte Shearing Armando Peraza (Conga) zur Gruppe hinzu, Latin Rhythmen wurden immer wichtiger - und sie klangen oft authentisch kubanisch.

Auch als Komponist war Shearing sehr produktiv - am berühmtesten ist mit Sicherheit sein wunderbares "Lullaby of Birdland", dem New Yorker Club gewidmet, aber auch die Bop-Nummer "Conception" stammt von ihm. Er spielte für sein langjähriges Label Capitol in den Fünfzigern auch eine Reihe von Alben ein, die eher in die Easy Listening denn die Jazz-Schublade fallen und schrieb dafür auch selber Musik, etwa das Bolero-artige "Black Satin". Wie vor ihm schon Grössen wie Ellington und Louis Armstrong fiel auch Shearing bei der Kritik rasch in Ungnade, sein immenses musikalisches Talent wurde völlig verkannt.

Der völlig verkannte und unterschätzte, Ende 2009 verstorbene Pianist Dich Katz schreibt in der Einleitung zum Mosaic-Booklet (aus dem mich ich mich für obigen Text frei bedient habe):

If George Shearing has one unique musical attribute, it is his piano sound. No one has produced a more beautiful or crystalline sonority from the instrument. This is a subjective opinion, of course, because this writer is also a jazz pianist. I think Shearing is one of the most imaginative and sensitive ballad players of our time.
Not the least of his gifts is his harmonic imagination. All jazz pianists are forever searching for different ways to reharmonize standards. We all have our pet substitute changes. Shearing, however, rivals Tatum, Hank Jones and Bill Evans in that department. Especially interesting is the way he handles inner voicings - his voice leading is impeccable. He has written many folios of his reharmonizations, which are a wonderful reference for any musician who wants to expand his or her harmonic vocabulary.

~ Dick Katz (August 1994), Liner Notes zu: "The Complete Capitol Live Recordings of the George Shearing Quintet", Mosaic MR7-157/MD5-157 (1994), p. 2.


Noch vor der ersten Capitol Live-Aufnahme mit dem Quintett trat Shearing im Sommer 1957 in Newport am Jazzfestival auf. Sein Set erschien 2000 gemeinsam mit dem ebenfalls zuvor unveröffentlichten Set des damaligen Cannonball Adderley Quintets (die Gruppe mit Nat, Junior Mance, Sam Jones und Jimmy Cobb) - die Kombination macht durchaus Sinn, da die Adderley Brüder für einen langen spontanen Jam über "Soul Station" (ein Stück von Curtis Fuller) zum Shearing Quintett stossen. An Shearings Seite spielte die eingangs schon erwähnte Besetzung. Bemerkenswert ist Shearings Version von "It Never Entered My Mind", in die er Saties "Gymnopédie" einflicht. Das Highlight ist aber das lange Stück mit den Adderleys sowie zum Ende zwei Stücke mit Armando Peraza, in denen die Gruppe wirklich authentisch kubanische Montuno-Musik präsentiert - über "Old Devil Moon" und ein Denzil Best Original "Nothin' But De Best". McKibbon glänzt mit seinem scheinbar einfachen Bass-Spiel.


Auf dem Mosaic-Set sind fünf Live-Sessions zu hören, die 1958, 1960 und 1963 entstanden sind und vier Versionen des Quintetts präsentieren. Die ersten beiden Sessions von 1958 entstanden mit der schon genannten Band. Highlights des ersten Mitschnittes von Anfang März 1958 (ursprünglich auf dem Album "Shearing on Stage", ST-1187, veröffentlicht) aus dem Claremont College in Kalifornien sind Randy Westons "Little Niles", in dem Shearing mit grosser Lockerheit im 3/4 Rhythmus spielt und ein tolles Solo mit locked hands-Passagen hinlegt. Auf "Caravan" stösst Peraza zum Quintett und Thielemans spielt die Melodie und soliert über Mambo-Rhythmen auf der Mundharmonika - wunderbar! Wie schon das Newport-Set endet auch das hier mit Denzil Bests "Nothin' But De Best".

Das zweite set wurde Ende März im Crescendo in Los Angeles aufgenommen, die Band ist dieselbe - aber die Atmosphäre im Club eine etwas andere als jene im College. Diese Aufnahme war ursprünglich auf dem Album "On the Sunny Side of the Strip" (ST-1416) zu hören. Zum Auftakt gibt's "Jordu" von Duke Jordan, im Ensemble mit Bach'schem Kontrapunkt präsentiert. Wie schon im ersten Set ("I'll Remember April", "Little White Lies" und "East of the Sun") sind auch hier wieder eine - aber nur eine - typische Easy Listening Nummer zu hören: "As I Love You". Weiter geht's mit "Confirmation", in der die Shearing'sche Art, Bop zu spielen verdeutlicht wird: mit dem Drummer gekonnt und sehr swingend an Besen und den üblichen schönen Voicings - gewissermassen Bop, der nicht stört, der sich aber bei genauerem Hinhören als äusserst musikalisch entpuppt. Shearing ist hier irgendwo zwischen Hank Jones und Horace Silver zu verorten. Es folgt - im Trio - Hoagy Carmichaels Ballade "The Nearness of You" - und Shearings wunderschöner Touch wird einmal mehr deutlich. Auf "Mambo Inn" klingt Shearing sehr kubanisch, Thielemans und Richards steuern schöne Soli bei - und McKibbon legt das Fundament unter den dichten Rhythmen von Percy Brice und Armando Peraza. Die zweite Hälfte der Session ist etwas weniger interessant: "Bernie's Tune", "Some Other Spring" (schönes Solo mit mehr als nur einer Prise Teddy Wilson, das aber nicht so recht ins musikalische Geschehen passen will), "Joy Spring" (tolles Stück, langeweilige Interpretation). Erst zum Abschluss folgt mit der zweiten Latin-Nummer "Drume Negrita" nochmal ein Stück, das ein wenig aufhorchen lässt.


Das dritte Konzert und Album ("San Francisco Scene", ST-1715) entstand im Masonic Temple in San Francisco im April 1960. Die Band bestent aus Warren Chiasson (vib), Dick Garcia (g), Ralph Pena (b) und Vernel Fournier (d), einzig Armando Peraza war noch immer mit dabei. Pena und Fournier bringen einen flüssigeren Swing in die Gruppe, der schon beim Opener, Ray Bryants "The Be-Bop Irishman" schön zu hören ist. Fournier überzeugt enorm, auch mit den Besen swingt er hart und zupackend, viel effektiver als sein Vorgänger Percy Brice. Es folgt die schöne Alec Wilder-Ballade "I'll Be Around" und dann "Jumpin' with Symphony Sid" (aka "Undulating with Ubiquitous Ulysses", wie Shearing meint). Hier blüht die Gruppe auf - Fournier spielt mit den Sticks, Garcia eröffnet mit einem schönen aber leider etwas kurzen Gitarrensolo. Und als Chiasson übernimmt fängt Pena an, mit dem Beat zu spielen - sehr schön! Da merkt man auch, wie eingespielt die sind und dass sie es sich durchaus hie und da erlaubten, ein wenig aus dem Schema auszubrechen. Auch Shearings Solo ist toll, wieder fliessen die Gospel-Einflüsse ein, die schon zuvor hie und da aufblitzten. Das kurze "Cocktails for Two" ist ein Feature for Peraza - mehr Perez Prado als genuin kubanisch hier. Peraza ist auch auf "Lullaby of Birdland" zugegen, die Mambo-Version davon kommt aber nicht so gut, wirkt hastig und nervös. Dann folgt Horace Silvers "The Outlaw" - wieder klingt die Band toll, Forunier an den Sticks und Garcia mit einem schönen Gitarrensolo, gefolgt von Chiasson. Der Wechsel zwischen den 7-taktigen Phrasen und dem 16-Vamp, der über einer Art Montuno gespielt wird, wird in den Soli beibehalten. Es folgt die Ballade "When April Comes Again" mit einem schönen Piano-Solo, das von wieder Shearings wunderbarem Touch lebt. "Monophraseology" ist ein erweiterter Blues von Dick Garcia (dessen "A Message from Garcia" von 1956 auf Dawn kann ich übrigens empfehlen, in drei Sessions hören wir ein Quartett mit Tony Scott, ein Quintett mit Gene Quill und Terry Pollard, sowie ein Quartett mit Bill Evans, der 1956 noch in seinem tollen frühen perkussiveren Stil spielt). Rodgers/Hammersteins "This Nearly Was Mine" wird in den Händen von Shearing zu einer klassischen Etude irgendwo zwischen Chopin und Bach. Zum Abschluss folgt der obligate Mambo: "My New Mambo" von und mit Armando Peraza.


Die letzten beiden Live-Sessions stammen beide von 1963 und sind auf CD3 bis CD5 verteilt - mit all dem unveröffentlichten Material, das Mosaic hier erstmals veröffentlicht hat, hätten beide Alben als Doppel-LPs erscheinen können. Der wichtigste Neuzugang zur Band war Vibraphonist Gary Burton, an dem Shearing sofort Gefallen fand. Der neue Gitarrist, Ron Anthony, musste hingegen für die erste Session (im Santa Monica Civic Auditorium im Februar 1963) dem mit unbekannten Veteranen John Gray Platz machen. Bei die zweiten Session im Juli war Anthony dann dabei. Am Schlagzeug hören wir weiterhin Vernel Fournier, auch Armando Peraza ist dabei. Bassist der ersten Session ist Bill Yancey, auf der zweiten ist dann Gene Cherico zu hören.
Die erste Session beginnt mit einer tollen Version von "Walkin'" - die durchaus neben der 1954er Version von Miles Bestand hat! Gary Burton war zwar erst zwanzig Jahre alt aber seine Soli sind sehr überzeugend - auch wenn er hier streckenweise noch stark nach Milt Jackson klingt. Shearings zweihändiges Solo danach ist ebenso grossartig - es beweist, dass er den Blues spielen konnte und macht in seiner Virtuosität keinem geringeren als Phineas Newborn Konkurrenz. Die Stücke sind über die Jahre viel länger geworden, lassen den Musikern Raum für lange Soli. "I Cover the Waterfront" beginnt mit einer langen Story Shearings, aus der er dann nahtlos in seine Solo-Performance einsteigt und einmal mehr seine klassischen Wurzeln offenbart - ein wunderschönes Stück! "Lunch", äh, "Love Is Just Around the Corner" (Shearings Joke, nicht meiner) ist wieder sehr lebending, Shearing im Garner-Mode, Fournier mit den Besen. Die Ballade "There with You" stammt vom ehemaligen Gitarristen der Gruppe, Dick Garcia. Ein weiteres Jazz Origianl folgt mit "Bel Aire", dem letzten Stück, das damals auf dem Album landete. Ray Bryant hat es geschrieben, Fournier, Burton und Shearing swingen wie die Hölle. Shearings Solo ist gradlinig und entschlackt wie selten. Sieben unveröffentlichte Titel hätten das Album ursprünglich zu einer Doppel-LP machen sollen, das erste davon ist Bobby Timmons' "Moanin'" - das Stück dauert über zehn Minuten und beweist, dass Shearing, Burton und Gitarrist Gray überhaupt keine Mühe damit haben, diesen Gospel-getränkten Jazz zu spielen. Auf "The Sweetest Sounds" trommelt Fournier einen jener mitreissenden Rhythmen, die er als Mitglied von Ahmad Jamals Trio oft gespielt hat - sehr eingängig. Das Intro zu "Lunch for Sale" (ja, eben... "Sweet Lunch of Mine", "You Don't Know What Lunch Is", "They Say That Falling in Lunch Is Wonderful" etc) erinnert nochmal an "Moanin'", das Solo Shearings ist dann aber gradliniger - begleitet wird er nur von Fournier und Yancey - letzterer bietet hier tolle Unterstützung mit grossem Sound und tollen Walking Bass-Linien. "Lee's Blues" ist Georges damaligem Blindenhund ("you ain't nothin' but a guide dog") gewidmet und dem Blues nur ähnlich, auch durch das 6/8-Feeling, das sich durchs ganze Stück zieht. Shearing ist der einzige Solist. "My Reverie" ist ein Piano-Solo, wieder klassischer Natur. Das Set endet dann mit der Ballade "Look No Further" (ohne Improvisation) und "African Inspiration" - die Inspiration kommt aber erwartungsgemäss aus Kuba - ein kleines Füllsel zum Ende...

Die zweite Live-Session von 1963 fand wie erwähnt im Juli statt, dieses Mal im Blackhawk in San Francisco - das Album hiess "Rare Form!" (ST-2447) und wurde 1966 veröffentlicht. Die Stücke sind zwar kürzer, aber die Band swingt sehr und die Musiker lassen sich nicht eingengen von der Kürze der Stücke. Als Opener hören wir schon wieder "The Greatest Sound", dieses Mal aber in einer schnellen Latin-Version. Es folgt nochmal "Look No Further", dann folgt Bud Powells "Hallucinations", das Shearing, Anthony und Burton mit viel Drive interpretieren. "Sunny" ist ein Original von Shearing, das er schnörkellos durchspielt. Nach einer ereignisarmen Version von "They All Laughed" folgt "Station Break", ein kurzes Shearing-Original mit tollem Besenspiel von Fournier - das Stück erinnert stark an Neil Heftis "Cute". "Somewhere Over the Rainbow" ist ein typisches Beispiel für Shearings Reharmonisierungen - sein Piano steht im Mittelpunkt des ganzen Stückes. "Why Not" stammt von Doug Marsh, der früher mit dem Shearing Quintett Gitarre gespielt hat - das Stück ist extrem schnell aber die Solisten sind alle der Herausforderung gewachsen. Es folgt eine Easy Listening Nummer, die auch beim Liftfahren oder Einkaufen nicht stören würde, "I'll Never Smile Again", charmant, gewiss, aber eben ohne Tiefe. "Bop, Look and Listen" ist ein frühes Original von Shearing - hier hat die Gruppe endlich wieder Raum, um über acht Minuten eine tolle, lange Performance aufzubauen. Auch der neue Gitarrist Ron Anthony weiss zu überzeugen und Gene Chericos Zusammenspiel mit Fournier ist wohl fast noch besser als Bill Yanceys.
Es folgen auch hier sieben Stücke, die zuvor unveröffentlicht waren. Das erste ist "I'll Say" von Ron Anthony, ein charmanter Blues-Walzer (über eine erweiterte Blues-Form) mit einem schönen Solo von Gary Burton und solidem Bassspiel von Cherico. Shearing groovt erdig und alles ist in the pocket wie schon auf "Bop, Look and Listen". "Fly Me to the Moon" wird als Piano-Solo in Chopin'scher Manier dargeboten - eine sehr schöne Interpretation. Es folgt Mary Lou Williams' "Lonely Moments"; das Thema wird grösstenteils unisono dargeboten und dient als Vehikel für schöne Soli. Gene Chericos Beitrag, "Two Continents", ist nicht besonders speziell aber regt zu einer stimmigen Performance an - u.a. wieder mit einem schönen Solo von Burton. "Room 608" ist ein weiteres Original von Horace Silver, hier in rapidem Tempo dargeboten, mit sehr schönen Soli von allen. Ron Anthonys "Giselle" ist das längste unter den unveröffentlichten Stücken - vielleicht keine Sternstunde, aber die Struktur, die mit Quinten-Zirkeln arbeitet, regt Burton und Shearing zu schönen Soli an. Zum Abschluss folgt dann nochmal ein Mambo mit Peraza, "Curamita Pachano", geschrieben von Gary Burton.

Dem abschliessenden Fazit von Dick Katz zu diesen Aufnahmen möchte ich mich vorbehaltlos anschliessen:

In closing I would like to point out that this series of live performances clearly shows why George Shearing is so highly respected and appreciated by musicians and non-musicians alike. That he chose to channel his creativity into such a restrictive format and still be so brilliant is a real tribute to his talent. In the process, he gave and still does give, much joy to millions around the world.

~ Dick Katz (August 1994), Liner Notes zu: "The Complete Capitol Live Recordings of the George Shearing Quintet", Mosaic MR7-157/MD5-157 (1994), p. 9.

Auf Doug Paynes Blog findet sich ein sehr ausfühlicher Bericht über George Shearing in the Sixties in fünf Teilen - da werden auch die Easy Listening Alben behandelt, ebenso wie die Jazz Studio Alben (von denen ich mir unbedingt noch "Jazz Moments" - im Trio mit Israel Crosby und Vernel Fournier - besorgen muss): Pt. 1, Pt. 2, Pt. 3, Pt. 4 und Pt. 5.

Ferner möchte ich auf zwei schöne Alben hinweisen, die noch immer einfach zu finden sind und Shearing als Begleiter aber auch mit seinem ganz eigenen Sound (und im Falle des ersten, dem seines Quintetts) zeigen: Beauty & The Beat! mit Peggy Lee und Nat King Cole Sings / George Shearing Plays. Das wunderbare The Swingin's Mutual mit Nancy Wilson scheint hierzulande vergriffen zu sein (die 2004er CD ist sowieso eins dieser kopiergeschützen Undinger).
Auch die erwähnte CD mit Cannonball Adderleys und Shearings Quintetten (und dem gemeinsamen Jam) ist noch zu finden.

1 Kommentar:

  1. Danke für den wunderbaren Artikel zum unterschätzten Shearing -nur wundert mich, dass das Trio-Album von 1948 nicht erwähnt ist - Man from Minton's, Conception, Consternation - alles ganz tolle und originelle Einspielungen (die mich übrigens vor 60 Jahren so beeindruckt haben, dass ich die Noten gesucht und gefunden habe dazu!)
    Gruss Bruno Spoerri

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