G. Ramanathan - Museum Rietberg, Zürich, 8. Mai 2016

G. Ramanathan (Altsaxophon), mit S. Balasubramaniam (Violine), A. Padmanabhan (Mridangam) und Indira Ramanathan (Tanpura)

Ziemlich tolles Konzert, zwei Sets, wohl etwa zwei Stunden Musik, das erste Set baute langsam auf und endete sehr intensiv. Die Befürchtung, nach der Pause (mit hervorragenden frischen Samosas) könnte die Luft raus sein erwies sich glücklicherweise als gänzlich unbegründet, im Gegenteil: Ramanathan setzte da an, wo er vor der Pause aufgehört hatte. Balasubramaniam kam etwas zuwenig zum Zug fand ich, das Konzert mag auch den Eindruck erweckt haben, dass er weniger zu bieten hätte (worüber ich mir überhaupt nicht sicher bin), da er wie üblich oft nur den Meister schattiert hat (zusammen mit der Trommel). Drei, viermal bekam er jedoch die Gelegenheit, selbst zu spielen und nutzte sie auch hervorragend. Padmanabhan erhielt nach der Pause sein grosses Solo, das vom ziemlich lustigen Publikum (voller offensiver IIGs in Kleidern, die an ihnen komisch aussahen, es roch auch nach allerlei seltsamen Kleiderschrankdüften, so schien mir) eifrig beklatsch wurde.

Die Gelegenheit, indische klassische Musik zu hören, ist zwar selten, aber es gibt sie immer wieder, und ich sollte öfter an diese Konzerte im Rietberg gehen, war wohl insgesamt nur vier-, fünfmal dort in den letzten 20 Jahren, habe immerhin Zakir Hussain und Hariprasad Chaurasia dort gehört (leider nicht gemeinsam). Der Rahmen ist klein, der Vortragssaal der Park-Villa Rieter hat 145 Plätze und ist selten ganz voll), die Stimmung entspannt, die Musiker fühlen sich wohl, weil es eine grössere Upper-Class-Exilgemeine gibt, die sich kümmert, es gibt auch Musikakademien etc. für indische Musik in der Schweiz, die Szene ist wohl recht gut vernetzt.

Bei der Park-Villa Rieter handelt es sich um ein in der Zeit der Rieters (die das Anwesen von den Wesendoncks übernahmen) errichtetes Nebengebäude auf dem Areal, wo sich zuvor Richard Wagner längere Zeit aufgehalten hatte. In einem anderen neueren Gebäude, der Villa Schönberg, trat 1923 auch ein gewisser Herr Hitler bei einer privaten Verstanstaltung auf, eingefädelt von einem gewissen Hess, damals Student in, und Ulrich Wille Jr., seines Zeichens General der Schweizerischen Armee, Sohn des Oberbefehlshabers der Armee zur Zeit des Ersten Weltkrieges und wie der Vater ausgesprochen deutschfreundlich, noch während des Zweiten Weltkrieges. Die Geschichte der Verbandlungen eines Teils der schweizerischen Elite mit der Nazerei kann man ohne Erwähnung des "grünen Hügels", wie die Villa Wesendonck in den 1870er genannt wurde, als sie an Rieter überging, kaum vollständig geschrieben werden. Umso schöner, dass das Rietberg heute eine der bedeutendsten Sammlungen für Kunst aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien beherrbergt, das würde den Popanzen gefallen.

Aber nochmal zur Musik: es ist schon frappant, wie sehr sich das Saxophon für vokalisierendes Spiel anbietet, auch ein aus dem bekannten Kontext herausgerissenes Altsaxophon, das wie mir schien mit sehr weichem Ansatz gespielt wird, was umso mehr Modulierungen, Zwischentöne, Portamenti usw. erlaubt. Der Gesang steht ja in der karnatischen Musik immer im Mittelpunkt, auch instrumentale Musik ist auf Stimmhaftigkeit, Sanglichkeit ausgelegt, und so spielte Ramanathan stets mit viel Verzierungen, Schlenkern usw. wie man sie eben auch von Gesangsaufnahmen kennt (die aber gar nicht mein Fall sind - die Art zu singen zieht sich ja weiter bis in den indischen Mainstrem, Bollywood-Sountrack und sowas). Ändlich verhielt es sich beim Geigenspiel von S. Balasubramaniam, wobei die fliessenden Übergängen zwischen Töne auf der Violine naturgemäss viel einfacher zu bewerkstelligen sind. Natürlich ist das Kunstmusik, die nicht zum Tanzen einlädt, auch kaum zum Mitwippen (obwohl einige der enthusiastischsten IIGs das nicht lassen konnten), es ist ganz der melodiöse Einfallsreichtum des Solisten (der eben auch von der Trommel - in der Nordindischen Musik ist das ja auch so, bloss gibt es dort dann eher Tabla-Begleitung - imitiert, schattiert wird). Es ist - und darin liegt für mich bei einem solchen Ensemble mit zwei potentiellen Solo-Stimmen und Begleitung die Irritation - eben keine Gruppenmusik, es gibt kaum echten Dialog, alles ist auf den Meister fokussiert und an dessen Einfallsreichtum hängt denn auch der Erfolg oder Misserfolg des Ganzen. Die Öffnung zum echten Dialog wäre, so stelle ich mir mit einem gewiss mangelhaften Verständnis vor, durchaus möglich, aber da sprechen dann wohl kulrurelle Faktore dagegen, vermute ich - bzw. sorgen dafür, dass ein echter Dialog nur da und dort möglich, aber nicht zum Normall wird. Nichtsdestotrotz, an Einfällen mangelte es Ramanathan gerade nicht heute und so war das Konzert, von einer seltsamen westlichen Walzer-Nummer (ich dachte an Zirkus, meine Mutter meinte ein Volkslied oder sowas) gegen Ende mal abgesehen, überaus erfolgreich.

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