Elina Duni im Moods, Zürich, 20. November 2012


Elina Duni Quartet Fremd, nicht verloren

von Flurin Casura 
 
Die Schäferinnen sagen sich frei von den Traditionen (den Männern!), das Mädchen wird den Kaval spielenden Fremden, den „jabandji“, ewig lieben, der Ring, den der Geliebte ihr nach einem Jahr und einem halben an den Finger steckt, verrät erst die Liebe des Mädchens, die Mimosen blühen und die Männer spüren den Frühling ... es sind archaische Bilder, die Elina Duni besingt, in traditionellen Liedern aus Albanien und dem Kosovo, Vignetten, Miniaturen, dazwischen ein vertontes Gedicht von Ismail Kadare. Auf dem dritten Album, das gerade bei ECM erschienen ist, hält sich Elina Duni an ihre Heimat, Albanien – man könnte sagen, sie nehme uns auf eine Reise mit, doch das wäre zu banal. 

„Matanë Malit“ – ennet em Berg – von hinter dem Berg kommt die Musik des Albums. Duni kam in den frühen Neunzigern zehnjährig aus Albanien in die Schweiz, nach Genf zuerst, dann nach Bern, wo sie auf den Lausanner Pianisten Colin Vallon traf. 2007 erschien das erste Album, „Baresha“, drei Jahre später wurde mit „Lume Lume“ nachgelegt (beide erscheinen bei Meta Records). Es gesellten sich Lieder von Serge Gainsbourg, Léo Ferré oder Nick Drake zu Folksongs aus Albanien, Griechenland, Bulgarien oder Rumänien. Mit dem dritten Album ist Duni angekommen – bei sich selbst, in ihrer ganz eigenen, poetischen Welt. Colin Vallon, der die Sprache des Klaviers erweitert, den offenen Flügel zum Klanglabor macht, Patrice Moret, der mit konzentriert schwebenden Fingern die Töne seines Kontrabasses noch zu beschwören sucht, nachdem sie bereits verklungen sind, und Norbert Pfammatter, der am Schlagzeug mit kraftvoller Leichtigkeit mit Rhythmen jongliert und Akzente setzt, liefern einen kongenialen Background für Dunis expressive Altstimme.

Leise, verhalten mag die Musik Elina Dunis auf CD scheinen, das Konzerterlebnis ist ein anderes. Schon im ersten Stück des Abends singt und spielt sich das Quartett in einen tranceartigen Zustand. Das Trio spielt federnd komplexe Rhythmen, treibt Duni mit eingängigen Ostinati an, begleitet äusserst einfühlsam langsame Lieder. Ein präparierter Klavierakkord hier, ein Tupfer von der Trommel da, dazwischen ein Kratzen vom Bass: Moret zieht den Bogen mit dem Holz über die Saiten. Kongenial müsste man das wohl nennen, wäre es nicht so abgedroschen – die vier finden, kaum auf der Bühne, zu einer Einheit, Duni gibt die Richtung vor, was dann folgt, ist ein kreativer Dialog auf Augenhöhe, der gerade im Konzert zum Ereignis wird.

Duni schiebt ihre Schuhe bald beiseite, stampft barfüssig im Takt, gestikuliert und tanzt, aber vor allem singt sie: Sie singt mit warmer, mal klagender, mal jubilierender Stimme in der fremden Sprache, erzählt dazwischen die Geschichten, die den Liedern zugrunde liegen – „die Geschichte ist wichtig“. Es sind die Geschichten ihrer Ahnen, ihres Landes, ihrer Landsleute in der Diaspora – einfache, berührende Geschichten, Folklore, aber in ihrer Verknappung sind sie Kunst, deren poetischer Kern darin besteht, dass sie bei aller Klarheit stets rätselhaft bleibt. Die Reise, auf die Elina Duni uns mitnimmt, ist eine ins Reich der Poesie und des Schmerzes, aber auch eine ins Reich der glücklichen Liebe – „sonst wären wir ja alle nicht da“, n’est-ce pas?

Elina Duni | Colin Vallon | Patrice Moret | Norbert Pfammatter
Matanë Malit | ECM 2277 | September 2012
Photo: Blerta Kambo (www.elinaduni.com)

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